Insolvenzwelle im Handwerk angelaufen: Ostdeutsche Handwerkskammern fordern sofortige Härtefallhilfen

Das Handwerk
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Erfurt/HWK. Das Handwerk spürt die Auswirkungen pandemischer und geopolitischer Ereignisse der letzten Jahre und Monate sowie zunehmende Naturkatastrophen, die den Handlungsdruck zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele noch verstärken. Insbesondere anhaltende Lieferkettenstörungen, Inflation sowie nie dagewesene Energie- und Materialkostensteigerungen und damit einhergehende Kaufzurückhaltung machen sich für die Betriebe unmittelbar bemerkbar.

Die Telefone der Handwerkskammern stehen kaum noch still. „Uns erreichen täglich Notrufe. Immer mehr Handwerksbetriebe brechen unter der Last der aktuellen Energiepreise zusammen. Viele geben ihr Lebenswerk auf und müssen Insolvenz anmelden“, alarmiert der Präsident der Handwerkskammer Erfurt, Stefan Lobenstein. Besonders betroffen seien Lebensmittelhandwerke, Textilreinigungen, Brauereien, Galvaniseure und Kfz-Werkstätten.

Beim Treffen der Präsidentinnen und Präsidenten der Handwerkskammern der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, am 09. und 10. September 2022 in Erfurt stattfand, tauschten sich die Vertreter des ostdeutschen Handwerks über die aktuelle Lage und das Entlastungspaket der Bundesregierung aus.

Das Ergebnis des Austauschs der Kammerpräsidentinnen und Kammerpräsidenten in Erfurt ist eine Resolution, die an die Bundes- und die Länderpolitik gerichtet ist. In ihr sind sechs konkrete Maßnahmen formuliert, die laut Handwerk schnellstmöglich auf den Weg gebracht werden müssen.

Die Resolution drängt unter anderem darauf, dass im Fokus aller wirtschaftspolitischen Maßnahmen jetzt allein die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und des Handwerks stehen muss. Außerdem  wird die Neuausrichtung der Energiepolitik mit zuverlässigen Energielieferungen zu wettbewerbsfähigen Preisen, und die Senkung der Abgabenlast sowohl für Steuern als auch für Sozialleistungen für die Handwerksbetriebe und deren Mitarbeitenden gefordert. Als ein weiterer wichtiger Punkt ist die Gewinnung und Sicherung von Fachkräften aufgelistet.

Im Gespräch mit Bundestagsbeauftragten für Ostdeutschland, Carsten Schneider

Im Rahmen des Kammer-Treffens tauschten sich die Vertreter des ostdeutschen Handwerksauch auch mit Carsten Schneider, Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion und Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland, über die aktuelle Energiekrise aus.

Carsten Schneider (2. v. r.), Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion und Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland, im Gespräch mit VertreterInnen des Ostdeutschen Handwerks. Foto: Handwerkskammer.

„Die Lage ist dramatisch. Wir erhalten täglich neue Hiobsbotschaften aus weiten Teilen des Handwerks. Unzählige energieintensive Betriebe können die gestiegenen Energierechnungen nicht mehr begleichen. Das betrifft insbesondere Bäckereien und Fleischereien, Brauereien, Textilreiniger, Kfz-Werkstätten und Galvaniseure. Sie empfinden ihre aktuelle Situation und die Aussichten auf die kommenden Monate als perspektivlos. Kurzum: Dem energieintensiven Handwerk droht keine Insolvenzwelle – sie ist bereits angelaufen.”, betonte Stefan Lobenstein, Präsident der Handwerkskammer Erfurt, eindringlich.

“Auch wenn die Bundesregierung eine Nachbesserung des Entlastungspaketes in Aussicht gestellt hat, werden zugesicherte Hilfen mitunter viel zu spät ankommen. Bereits jetzt ist vielen Betrieben die Luft längst ausgegangen, weshalb ihnen die in Aussicht auf die versprochenen Hilfen nichts nützen werden. Hier hat die Bundesregierung den Ernst der Lage einfach verschlafen. Jetzt sofort muss der Staat besonders betroffene, energieintensive Betriebe mit Härtefallhilfen retten!“, ergänzte Lobenstein sein Statement.

Carsten Schneider signalisierte gegenüber dem Handwerk sein Verständnis und sein Bedauern für die existenzielle Schieflage. Dem Eindruck der anwesenden Handwerkspräsidenten nach, die selbst Inhaber von Betrieben sind, nahm er die Sorgen und Ängste ernst – und zeigte eine Reihe von möglichen Lösungswegen auf, die man in der Bundesregierung diskutiert. Die Anwesenden machten daraufhin deutlich, dass die Handwerkerschaft stark abhängig von einer schnellen Kommunikation der Lösungswege seitens der Bundesregierung sei.