Generationswechsel und Personalmangel bedrohen tierärztliche Versorgung

Tierarzt
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TÄK. Die Tierärzteschaft in Sachsen-Anhalt ist wie auch die anderen Heilberufe von grundsätzlichen Herausforderungen betroffen, in erster Linie mit dem sich verschärfenden Mangel an praktizierenden Tierärzten und Tierärztinnen.

Zwar ist die Zahl praktizierender Tierärztinnen und Tierärzte in Sachsen-Anhalt zum Jahresbeginn 2024 auf 576 gewachsen, allerdings fällt dieser Anstieg deutlich zu niedrig aus und lag im Vorjahr mit 23 % weit unter dem Bundesdurchschnitt von 58 %.

In der Folge lag der Anteil der unter 39-Jährigen in Sachsen-Anhalt bei ca. 23 %, während er deutschlandweit bei 32 % bewegte. Bundesweit, wie auch in Sachsen-Anhalt, sind diese Zuwächse fast ausschließlich durch die Zunahme der Zahl der angestellten Tierärztinnen und Tierärzte von 55 im Jahr 2001 auf gegenwärtig 247 zurückzuführen. Durch eine Vielzahl von Teilzeitstellen entsprechen die tatsächlichen Zeitaufwendungen pro Tierarzt/Tierärztin nicht mehr dem 40-Stunden-Modell, sodass die tatsächliche Zahl der durchschnittlich geleisteten Arbeitsstunden nicht in dem Maße wie die Anzahl der Berufstätigen gestiegen ist.

Der Tierärztekammer bereiten vor dem Hintergrund dieser Trends der unmittelbar bevorstehende Generationswechsel und der damit zu erwartende verschärfte Personalmangel in der Tierärzteschaft Sachsen-Anhalts insbesondere in den strukturschwachen Regionen des Landes außerordentlich große Sorgen.

Anzahl der Nutztierpraxen hat sich halbiert

Einen grundlegenden Strukturwandel hat bereits die Nutztiermedizin erfahren. Dabei ist die Zahl reiner Nutztierpraxen seit Anfang der 1990er Jahre auf ca. ein Viertel stark zurückgegangen. Die Betreuung der Nutztiere erfolgt zu großen Teilen inzwischen durch Gemischtpraxen. Dennoch hat sich die Zahl aller praktizierenden Tierärzte und Tierärztinnen, die sich ganz oder teilweise der Betreuung von Nutztieren widmen, in den letzten 30 Jahren fast halbiert.

So ist in einigen Regionen bereits jetzt ein Personalmangel bei der Absicherung der Nutztierversorgung feststellbar, der zu erheblichen Mehr- und Überlastungen der dort tätigen Kolleginnen und Kollegen führt. Darüber hinaus wächst in diesem Bereich die Arbeitsbelastung durch zusätzliche zeitintensive Dokumentationspflichten, beispielsweise durch die wesentlich erweiterte Meldeverpflichtung für den Einsatz von Antibiotika in landwirtschaftlichen Betrieben und zukünftig auch für Kleintiere. Hierfür wird Arbeitszeit nötig, die letztendlich nicht für die unmittelbare Behandlung der Tiere zur Verfügung steht.

Die Kammer wie auch die tierärztlichen Berufsverbände befürchten übereinstimmend einen weiteren Rückgang der Attraktivität gerade in der Nutztiermedizin.

Steigende Zahl an Haustieren sorgt für Mehrbelastungen in Kleintierpraxen

Auch in der Kleintiermedizin wird die Gewährleistung einer flächendeckenden veterinärmedizinischen Versorgung zunehmend schwieriger. In der Kleintiermedizin hat sich in den letzten Jahren der Arbeitsumfang durch die gestiegenen Tierzahlen stark vergrößert. In deutschen Haushalten lebten im Jahr 2021 rund 34,7 Millionen Hunde, Katzen, Kleinsäuger und Ziervögel. Im Vergleich zum Jahr 2007 wuchs die Haustierzahl damit um rund 11,5 Millionen Tiere an. In Sachsen-Anhalt dürfte diese Entwicklung ebenso verlaufen sein.

Neben diesem quantitativen Aspekt sind ebenfalls die tierärztlichen Möglichkeiten wie auch die daran geknüpften Haltererwartungen an die Behandlungsintensität weiter gestiegen. Infolgedessen sind Behandlungsaufwand und parallel der tierärztliche Arbeitszeitbedarf rasant gestiegen führen auch hier zu hohen Mehr- und Überlastungen.

Flächendeckende Notfallversorgung als Herausforderung

Ungeachtet dieser Entwicklungen steht die Kammer vor der besonderen Herausforderung, die flächendeckende tierärztliche Notfallversorgung bei gleichzeitiger Vermeidung bzw. Reduzierung der schon jetzt bestehenden Überlastung der meisten tierärztlichen Praxen. Um dieser Quadratur des Kreises weitestgehend gerecht zu werden, war eine Strukturanpassung der Notfalldienste unerlässlich.

Dazu hat die Kammer als dritte von 17 Landestierärztekammern Mitte des letzten Jahres zunächst für die Kleintiermedizin eine zentrale Lösung eingeführt, um die flächendeckende Verfügbarkeit des tierärztlichen Notfalldienstes transparenter und schnell verfügbar bundeslandweit darzustellen.

Alle Tierhalterinnen und Tierhalter können auf einer z.B. über das Smartphone oder einen PC nutzbaren Plattform den in ihrer Nähe tagesaktuell verfügbaren Notfalldienst für Kleintiere unter https://www.tieraerztliche-notdienste.de finden.