Halle. LAV. Das Landesamt für Verbraucherschutz (LAV) teilte bereits im Februar 2022 mit, dass es bei den Schuleingangsuntersuchungen (SEU) im ersten “Corona–Jahr” (2020) bei 5–Jährigen eine deutliche Zunahme von Übergewicht und Adipositas geben hatte. Die (moderate) Zunahme von Entwicklungsdefiziten bei 5–Jährigen im Jahr 2020 lag hingegen im Trend der Vor–Corona–Jahre und konnte deshalb nicht mit möglichen Einflüssen von Corona–Eindämmungsmaßnahmen in Verbindung gebracht werden. Damals war angekündigt worden, dass dieselben Sachverhalte auch in den Daten der SEU 2021 untersucht werden sollten.
Methodik
Um eine Vergleichbarkeit mit den früheren Analysen zu gewährleisten, wurden für die Analyse der Daten der SEU 2021 nur Kinder berücksichtigt, die 5 Jahre alt waren (60 bis 71 vollendete Lebensmonate) und die in der zweiten Jahreshälfte untersucht wurden.
Ergebnisse
Die neue Analyse bestätigt die Befunde aus der SEU 2020: Auch bei der SEU 2021 war die Häufigkeit von Übergewicht und Adipositas bei 5–Jährigen im Vergleich zum Vor–Corona–Trend noch erhöht. Die Häufigkeit von Entwicklungsdefiziten lag hingegen in etwa im Trend der Vor–Corona–Jahre bzw. hat sogar etwas abgenommen. Diese Befunde wurden mit Regressionsanalysen bestätigt, welche mögliche
Störfaktoren ausschließen.
Diskussion
Dass die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas bei 5–Jährigen auch noch im zweiten Corona–Jahr (2021) gegenüber dem Vor–Corona–Trend erhöht war, könnte eventuell folgende Ursachen haben: Erstens bildet sich ein einmal erworbenes Übergewicht auch bei Kindern nicht immer “von selbst“ zurück. Zweitens waren auch in der ersten Jahreshälfte 2021 die Kindertagesstätten zeitweise geschlossen – die Kinder profitierten also auch in diesem Jahr nicht durchgehend von dem in Kitas geförderten gesunden Bewegungs– und Ernährungsverhalten. Drittens kann vermutetet werden, dass nach dem Ende der Lockdown–Maßnahmen die Kinder nicht sofort wieder in ihre gewohnten “Vor–Corona–“Freizeitaktivitäten zurückfanden (organisierter Sport und/oder bewegungsintensives Spielen mit Freunden).
Dass die Häufigkeit defizitärer Testergebnisse beim Entwicklungsscreening der Schuleingangsuntersuchungen in Sachsen–Anhalt in den ersten beiden Corona–Jahren gegenüber dem Vor–Corona–Trend nicht erkennbar erhöht war, ist zunächst überraschend und deckt sich nicht mit anderen nationalen und internationalen Berichten zum negativen Einfluss von Kitaschließungen, Schulschließungen und allgemeinen Kontaktbeschränkungen auf die kindliche Entwicklung und Gesundheit. Bei der Interpretation dieses spezifischen Ergebnisses bei der SEU in Sachsen–Anhalt muss folgendes beachtet werden: Erstens handelt es sich hier um die Ergebnisse eines Entwicklungsscreenings, welches in erster Linie dazu dient, sehr deutliche Auffälligkeiten zu identifizieren, mögliche graduelle und/oder sehr spezifische Verschlechterung von Entwicklungsleistungen jedoch nicht messen kann. Zweitens war nach mündlichen Berichten von durchführenden Kinderärztinnen die Motivation und Aufmerksamkeit der Kinder bei der SEU in der Corona–Pandemie deutlich höher als in Vor–Corona–Jahren (und könnte eventuelle Entwicklungsverzögerungen, die durch die Eindämmungsmaßnahmen verursacht wurden, überkompensiert haben).
Zuletzt muss aber auch in Erwägung gezogen werden, dass alternative Angebote (auch durch elektronische Medien) während der Kitaschließungen und eine möglicherweise vermehrte sprachliche und spielerische Interaktion mit Familienangehörigen die fehlenden Anregungen aus der Kita eventuell für eine begrenzte Zeit kompensieren können.