220. Todestag: Wie die Meckelschen Sammlungen bis heute wirken

Claudia Steinicke betreut die Meckelschen Sammlungen im Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universitätsmedizin Halle. Foto: Universitätsmedizin Halle.

Halle. UMH. Nur wenige hatten einen so nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung der Medizin wie die Familie Meckel. Ihre Arbeit ist Grundstein der Lehre menschlicher Fehlbildungen und leistete viel für die moderne Geburtshilfe.

Philipp Friedrich Theodor Meckel hat sich um die Entwicklung der Universitätsstadt Halle große Verdienste erworben. In seiner Tätigkeit als Mediziner und Anatom engagierte er sich unter anderem dafür, die hallesche Bevölkerung gegen Pocken zu impfen. Zudem galt er als ausgezeichneter, auch international anerkannter Geburtshelfer.

Anlässlich des 220. Todestages von Philipp Friedrich Theodor Meckel sind Interessierte am 17. März 2023 um 13:00 Uhr zur Gedenkveranstaltung auf dem halleschen Stadtgottesacker und zu Führungen durch die Meckelschen Sammlungen eingeladen. Zur Kranzniederlegung um 13:00 Uhr an seiner Begräbnisstätte im Bogen 76 auf dem halleschen Stadtgottesacker sind Interessierte herzlich eingeladen. 

Sammlung mit 8.000 Präparaten noch heute von großer Bedeutung

Über Generationen bauten die Anatomen und Mediziner der Familie Meckel eine private Sammlung auf, die 1836 in den Besitz der halleschen Universität überging. Ungefähr 8.000 anatomische Präparate und deren gut 300-jährige Geschichte machen die Meckelschen Sammlungen einzigartig. „Sie diente nicht nur zur Meckel-Ära als Lehr- und Forschungssammlung, sondern wird auch heute noch von Medizin-Studierenden und Wissenschaftler:innen genutzt“, erklärt Claudia Steinicke. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin betreut sie die Exponate im Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universitätsmedizin Halle.

In den Sammlungen finden sich Präparate zu allen Aspekten der menschlichen Anatomie, die mittels verschiedener Methoden konserviert wurden. Darunter Trocken-, Feucht-, Injektions- oder Korrosionspräparate – „etwa von Nieren, deren verästelte Gefäßstrukturen an kleine Bonsaibäume erinnern“, so Steinicke. Forschungsprojekte rund um die Meckelschen Sammlungen befassen sich beispielsweise mit Fehlbildungen in der menschlichen Entwicklung: „Nach pathomorphologischen Analysen ließ sich bei drei Föten, die vor fast 200 Jahren als ‚foetus tumoribus nuchae‘ beschrieben wurden, das Ulrich-Turner-Syndrom diagnostizieren“, erläutert Steinicke. Das seien aktuell die wahrscheinlich einzigen erhaltenen historischen Präparate mit dieser genetischen Erkrankung.

Ein vergleichend-anatomischer Sammlungsbereich umfasst Tierpräparate aller Art und ist ebenfalls von wissenschaftlichem Interesse: „Eine dänische Walforschungsgruppe katalogisiert derzeit historische Strandungen bestimmter Walarten. Bei ihrer Recherche wurden sie auf einen Schweinswal von 1824 aufmerksam, der sich bei uns befindet“, sagt Steinicke. „Demnächst reist ein weiterer Wissenschaftler an, der sich mit Schnabelanomalien bei Vögeln beschäftigt.“ Auch mit anderen Disziplinen wie Kunst und Design (Kunsthochschule Burg Giebichenstein), Archäologie oder dem 3D-Druck für die Lehre (Dorothea-Erxleben-Lernzentrum Halle) kämen immer wieder Kooperationen zustande.

Aufarbeitung des Erbes ist anspruchsvoll

Eine Herausforderung im Umgang mit human-anatomischen Exponaten ist, dass sich deren Ursprung nicht immer zweifelsfrei klären lässt. „Wir beherbergen Exponate aus der Sammlung der Herrnhuter Brüder, die vor fast 300 Jahren auf der ganzen Welt missionarisch aktiv waren. Ob diese teilweise eine koloniale Vergangenheit haben, ist noch nicht abschließend nachgewiesen“, erläutert Prof. Dr. Heike Kielstein, Sammlungsleiterin, Institutsdirektorin und Dekanin der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Sollte sich ein kolonialer Hintergrund bestätigen, würden die Exponate bei der Kulturstiftung der Länder (Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland) gemeldet. Diese bildet einen Schnittpunkt zu Herkunftsgesellschaften. So besteht die Möglichkeit, Kulturgüter zurückzuführen. Auf diesem Wege wurden 2019 die sterblichen Überreste von fünf australischen Ureinwohnern in einer „Repatriation Ceremony“ an die australische Regierung zurückgegeben. „Der Ursprung muss für jeden Einzelfall zweifelsfrei belegt werden – die Spurensuche ist aufwendig und schwierig, manchmal nicht möglich. Aktuell befassen wir uns mit der Aufarbeitung von Exponaten aus der Expedition des berühmten Naturforschers Emil Riebeck.“ Hierbei handle es sich neben sogenannten human remains aus Indien auch um ethnologische Gegenstände, beispielsweise Holzgefäße als Grabbeigaben aus einem christlichen Felsgrab der Insel Sokotra. „Wir haben die indischen sterblichen Überreste bereits gemeldet. Aktuell gibt es keine Rückgabeforderungen. Bis zur nächsten Etappe ist es unsere Aufgabe, sie zu hüten, respektvoll und wissenschaftlich zu behandeln“, betont Kielstein.