Halle. SWH/EVH. Wo Strom-Energiespeicher fehlen und Überschussstrom trotzdem nicht ungenutzt bleiben soll, schlägt die Stunde von Power-to-Heat (PtH). Auch die EVH GmbH (EVH) setzt auf diese Technologie. Im Block C des Energieparks Dieselstraße entsteht gerade in Kooperation mit dem Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz eine neue Power-to-Heat-Anlage. Was sie nach Fertigstellung leisten kann, weiß Projektleiter Lutz Vogelpohl. „Power-to-Heat wandelt Überschussstrom in Wärme um, die dann wiederum speicherfähig ist. Bläst etwa der Wind so heftig, dass die Windräder mehr Strom erzeugen, als ins Netz eingespeist werden kann, wird die Windkraftanlage abgeschaltet. Ähnlich ist das mit zu viel erzeugtem Sonnenstrom. Mit der neuen Anlage muss das nicht mehr sein.“ Überschussstrom geht damit nicht verloren, sondern wird für Halles Fernwärmenetz bereitgestellt. Die PtH-Anlage verfügt über eine Leistung von 40 Megawatt (MW) und ist aktuell die größte in Ostdeutschland mit der Regelung ‚Nutzen statt abregeln‘. Die Investitionskosten in Höhe von bis zu 15 Mio. Euro übernimmt 50Hertz.
Wärme aus Erneuerbarem Strom
Wenn die Windparks im Nordosten Deutschlands aufgrund von Starkwind viel Strom erzeugen und dieser nicht vollständig vor Ort verbraucht bzw. weitertransportiert werden kann, müssen Windräder zum Schutz der Stromleitungen und Umspannwerke vor Überlastung abgeregelt werden. Die Betreiber der Windkraftanlagen erhalten zum Ausgleich eine Entschädigung. Durch die Kooperation von EVH mit 50Hertz wird dagegen ein Teil dieses Stroms in Zukunft effizient für die Wärmeversorgung der Stadt Halle (Saale) genutzt.
„Das Prinzip ‚Nutzen statt Abregeln‘ ist volkswirtschaftlich und ökologisch sinnvoll, weil das Potenzial der Erneuerbaren Energien dadurch besser ausgeschöpft wird. Unsere 50Hertz-Systemführung in Neuenhagen bei Berlin kann die PtH-Anlage zukünftig über die Leitstelle der EVH einsetzen, dadurch mehr Erneuerbare Energien in das Energiesystem integrieren und zugleich Engpässe im Stromnetz entschärfen. Die Region Halle im südlichen Sachsen-Anhalt bietet dafür gute Voraussetzungen, weil es hier ein hohes Aufkommen an Windstrom gibt“, sagt Dirk Biermann, Geschäftsführer Märkte und Systembetrieb von 50Hertz.
Halle ist das bisher siebte PtH-Projekt von 50Hertz, die Gesamtleistung aller zehn unter Vertrag genommenen Anlagen in Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und jetzt Sachsen-Anhalt beträgt über 200 MW.
Das „Tauchsieder-Prinzip“ im Energiepark Dieselstraße
PtH-Anlagen sind große Elektrodenheizkessel und funktionieren wie ein Tauchsieder im XXL-Format. Dabei wird elektrische Energie in Wärmeenergie umgewandelt. Im Zuge der Modernisierung und Erweiterung des Energieparks Dieselstraße von 2018 bis 2020 wurde schon im neu errichteten Kraftwerksblock die Implementierung einer solchen PtH-Anlage vorbereitet. Zu diesem Zeitpunkt war aufgrund rechtlicher und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen die Errichtung jedoch nicht darstellbar, da die Finanzierung durch den Netzbetreiber nur in küstennahen Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern durch das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) sichergestellt war. Diese Einschränkung wurde jedoch abgeschafft, sodass Anlagen wie jetzt in Halle auch in südlicher gelegenen Regionen mit Hilfe des Übertragungsnetzbetreibers realisiert werden können.
Erneuerbare Wärme für Halle
„Jedes Bauvorhaben der EVH hat das Ziel, die Energieversorgung sicher, bezahlbar und ökologisch zu gestalten. Wir haben mit der Power-to-Heat-Anlage perspektivisch die Möglichkeit, mehr Erneuerbare Energien ins Wärmenetz der Stadt Halle (Saale) zu integrieren und somit unabhängiger von fossilem Erdgas zu werden. Die Anlage ist ein wichtiger Baustein der Dekarbonisierungsstrategie der EVH und ein Meilenstein im Rahmen der gemeinsamen Arbeit der Energie-Initiative Halle (Saale)“ sagt Olaf Schneider, Geschäftsführer der EVH. So wurde zuvor bereits eine 3,3 Megawatt-Solarthermie-Anlage in Halle-Trotha in Betrieb genommen. Derzeit wird ein Wärmetransformationsplan entwickelt, welcher die vollständige Dekarbonisierung der Fernwärmeversorgung bis 2045 zum Ziel hat und die Potenziale erneuerbarer Wärme untersucht und deren schrittweise Erschließung beinhalten wird. Neben der PtH-Anlage sind beispielsweise Projekte in Vorbereitung, welche die Nutzung von Umweltwärme aus Fluss- und Abwasser mit Großwärmepumpen bis 2027 ermöglichen sollen.