Halle. UMH. Psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen und Psychosen können in jedem Lebensalter auftreten, äußern sich im höheren Alter aber oft anders als in jungen Jahren. Wie man psychisch gesund altern kann und wie eine gute Prävention gelingt, erforscht Prof. Dr. Oliver Tüscher. Seit dem 1. Oktober 2024 ist er neuer Professor für Psychiatrie und Psychotherapie an der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). Mit der Berufung verbunden ist die Leitung der Universitätsklinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik an der Universitätsmedizin Halle.
Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt in der Erforschung der psychischen Widerstandsfähigkeit, zum Beispiel der kognitiven Resilienz im Alter oder gegenüber stressassoziierten Erkrankungen. „Resilienz ist keine angeborene Fähigkeit, sondern etwas sehr Dynamisches, das man lernen und wieder verlernen kann“, erklärt Prof. Tüscher. „Bestimmte Krankheitsbilder häufen sich im Alter. Hier ist es wichtig, bei der Therapie auf die Besonderheiten im höheren Lebensalter einzugehen. Und noch wichtiger ist es, herauszufinden, wie Menschen funktionell so gesund bleiben können, dass sie lange physisch, psychisch und gesellschaftlich am Leben teilhaben können. Deshalb widme ich mich seit einigen Jahren intensiv der präventiven Psychiatrie.“
„Der Aufbau und die Funktionsweise des Gehirns faszinieren mich. Ich bin von Haus aus Psychiater und Neurologe. Die Psychiatrie bietet gute Möglichkeiten, das Gehirn und seine Krankheiten wie Demenzen oder Depressionen gemeinsam mit der Neurologie besser zu verstehen“, sagt der 53-Jährige. In seinem Fokus stehen auch die Mechanismen der Selbstregulation als zentrale Aspekte psychischer Gesundheit, insbesondere die Regulation von Emotionen und die Kontrolle von Impulsen. Dabei setzt er vor allem auf bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT) und elektrophysiologische Methoden wie die Elektroenzephalographie (EEG) sowie auf die translationale Forschung.
Forschungspotenziale ausschöpfen: Gute Voraussetzung in Halle (Saale)
„Ich passe gut nach Halle und Halle passt gut zu mir. Hier gibt es viele Institutionen, die innerhalb meiner Forschungsschwerpunkte wunderbar vernetzt sind. Besonders freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit der bestens aufgestellten Neurologie, der Altersmedizin und im Deutschen Zentrum für Psychische Gesundheit (DZPG), an dem auch die MLU beteiligt ist. Ein Vorteil der gemeinsamen Arbeit im DZPG ist die Harmonisierung von Informationen aus der klinischen Routine mit anderen Standorten, um einen größeren Datenschatz zu erschließen und Daten besser vergleichen zu können. So lassen sich Muster schneller erkennen und nützliche Schlüsse ziehen“, erklärt Tüscher. „Für die Prävention psychischer Erkrankung sind beispielsweise digitale und elektronische Hilfsmittel sehr interessant: Mit den vorhandenen Strukturen der Translationsregion für digitale Gesundheitsversorgung (TDG) besteht die Chance, Erkenntnisse aus der Forschung effektiv in die Anwendung zu bringen. Zudem hat die Universitätsmedizin Halle mit dem Broad Consent, also der Möglichkeit für Patient:innen, pseudonymisierte Routinedaten für die Forschung freizugeben, eine weitere wichtige Grundlage um bereits vorhandene Ressourcen zu nutzen.“
Prof. Dr. Heike Kielstein, Dekanin der Medizinischen Fakultät der MLU, erklärt: „Mit Prof. Dr. Oliver Tüscher erhält die Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Halle einen exzellenten Wissenschaftler und Arzt, der die Brücke zwischen der molekularen neurobiologischen und der klinischen Ebene schlägt. Unter seiner Leitung wird die bereits in Lehre und Krankenversorgung herausragende Klinik die Forschung ausbauen und Schwerpunkte im Bereich des resilienten Alterns setzen. Damit wird sowohl der Standort Halle im DZPG als auch der Schwerpunkt Alternsmedizin an der Universitätsmedizin Halle gestärkt werden.“
Oliver Tüscher studierte Humanmedizin an der Ruhr-Universität Bochum und der Ruprechts-Karls-Universität Heidelberg mit Auslandsaufenthalten in New Orleans und New York. Von 1996 bis 1999 war er Student im DFG-Graduiertenkolleg „Molekulare und zelluläre Neurobiologie“ in Heidelberg, wo er 2002 promoviert wurde. Er arbeitete am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, am Weill Medical College der Cornell University, New York, und am Universitätsklinikum Freiburg. Seit 2010 war er an der Universitätsmedizin Mainz tätig, wo er die Anerkennung als Facharzt für Neurologie erhielt. 2011 habilitierte er sich an der Universität Freiburg für das Fach Neurologie. Im Jahr 2013 erhielt er zusätzlich die Anerkennung als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und war als Oberarzt in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie tätig, ab 2015 als Leitender Oberarzt und stellvertretender Direktor. Ab 2016 hatte er eine W2-Professur für Klinische Resilienzforschung in Mainz inne. Er ist außerdem Gründungsmitglied des Leibniz-Instituts für Resilienzforschung (LIR) und leitet dort eine Arbeitsgruppe sowie das Clinical Investigation Center.