Diagnose Zöliakie – Verzicht auf Bier?

Bier
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Halle. LAV. Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung des Dünndarms, die durch den Verzehr von glutenhaltigen Getreideprodukten ausgelöst wird. Betroffene Patienten leiden unter chronischen Entzündungen des Dünndarms, die mit einer Veränderung der Darmschleimhaut, insbesondere mit dem Abbau der Dünndarmzotten, einhergehen. Folglich kommen weitere Symptome wie Durchfall und Blähungen hinzu, die nur durch ein lebenslanges Meiden von Getreideprodukten bekämpft werden können.

Bier – “flüssiges Brot”

In Getreide wie Weizen, Roggen, Gerste oder Dinkel ist Gluten in Form von Gliadin und Glutenin als sogenanntes „Klebereiweiß“ enthalten. Für den Bäckermeister sind diese Bestandteile wichtig, da der Brotteig dadurch seine typisch zähe Masse erhält und das Brot nach dem intensiven Teigkneten anschließend eine lockerere Struktur des Endproduktes aufweist. Das so erzeugte Bäckerbrot ist für Zöliakie-Patienten leider tabu. Aber wie sieht es mit dem Genuss von „flüssigem Brot“, dem Bier, aus?
Als am 23. April 1516 auf dem Bayerischen Landstädtetag zu Ingolstadt das „Deutsche Reinheitsgebot“ erlassen wurde, das festlegte, dass Bier nur aus Gerste, Hopfen und Wasser hergestellt wurde, wusste man bis dato weder von der vierten Zutat Hefe, noch war an „glutenfreies Bier“ zu denken.

In Deutschland ist für Bier ein Zutatenverzeichnis verpflichtend anzugeben. Allergene Zutaten und Lebensmittelunverträglichkeiten auslösende Zutaten sind dabei in hervorgehobener Schriftweise, z. B. Fettdruck, kursiv oder unterstrichen, anzugeben. Dies betrifft im Bier die Zutat „Malz“. Für den Verbraucher muss konkret die Getreideart (Gerstenmalz, Weizenmalz oder Roggenmalz) als Zutat erkennbar sein.

Wenig Biere sind explizit “glutenfrei” gekennzeichnet

Viele Hersteller sind daran interessiert, dass die Biere für den Vertrieb im Handel ein möglichst langes Mindesthaltbarkeitsdatum bei gleichbleibender Genussqualität aufweisen. Dazu ist es üblich, die Biere im Herstellungsprozess vor der Abfüllung zu filtrieren und kurz zu erhitzen, dabei werden auch eiweißreiche Trübstoffe entfernt.

Auf wenigen Bieren findet sich die spezielle Angabe „glutenfrei“, die nach einer europäischen Verordnung bei einem Gehalt von weniger als 20 mg Gluten pro Kilogramm in der Etikettierung von Lebensmitteln verwendet werden darf. Aus dem Handel kennt man auch das „Glutenfrei-Symbol“ mit der durchgestrichenen Ähre im Kreis. Dieses Zeichen ist geistiges Eigentum der IG Zöliakie der Deutschen Schweiz, einer Gesundheitsorganisation.

Darf ein Zöliakie-Patient auch ab und zu ein Bier ohne die Angabe „glutenfrei“ verzehren, ohne mit gesundheitlichen Problemen rechnen zu müssen? Die Antwort lautet wie so häufig: „Es kommt drauf an.“
Wer bereits festgestellt hat, dass er besonders empfindlich auf nur geringste Spuren an Gluten reagiert, sollte kein Bier trinken. Zöliakie-Patienten mit einer gewissen Toleranz gegenüber Gluten könnten aber durchaus den Verzehr von Bier in Erwägung ziehen.

Stammwürze gibt Hinweis auf Glutengehalt

In Deutschland wird untergäriges Bier nur aus Gerstenmalz und obergäriges Bier hauptsächlich aus Weizenmalz und Gerstenmalz hergestellt. Nur bei obergärigem Bier sind auch andere Malzarten sowie zuckerhaltige Malzersatzstoffe alternativ möglich. Die Bezeichnung und Einteilung der Biere in Deutschland erfolgt anhand des Stammwürzegehaltes. Unter dem Stammwürzegehalt ist die Menge der gelösten Stoffe aus Malz in der unvergorenen Würze zu verstehen.

Typische Bezeichnung sind dabei:

  • „Bier“ oder „Pils“ Stammwürze mindestens 11 %
  • „Export“ Stammwürze mindestens 12 %
  • „Märzen“, „Festbier“ Stammwürze mindestens 13 %
  • „Bockbier“ Stammwürze mindestens 16 %

Das bedeutet, je höher die Stammwürze, umso höher ist der verwendete Malzanteil im Sud und umso höher der Glutengehalt im Enderzeugnis.

Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass viele Hersteller von regionalen und auch überregional erhältlichen Bieren durch den Herstellungsprozess ein Glutenniveau unter 10 mg/kg erreichen. Dies liegt deutlich unter den rechtlichen Vorgaben bei der Verwendung der Angabe „glutenfrei“ und spricht für einen möglichen Verzehr derartiger Biere in geringem Maße auch durch Zöliakie-Patienten.

Hefetrübe und obergärige Biere weisen hohen Glutengehalt auf

Bei vielen „hefetrüben“ Weizenbieren, die immer einen Anteil an Gerstenmalz für die Schaumstabilität enthalten, wird nicht filtriert. Hier ist ein Glutenanteil deutlich über 20 mg/kg zu erwarten. Gleiches gilt für obergärige Biere mit Anteil an Rohfrucht wie Dinkel und Emmer. Diese alten Getreidesorten weisen von Natur aus einen höheren Eiweißanteil auf, der das Bier zwar schmackhaft macht, jedoch das Potential für einen erhöhten Glutengehalt (> 20 mg/kg) steigen lässt.

Fazit:
Untergärig gebraute Biere, die filtriert sind und ein Mindesthaltbarkeitsdatum von ca. 6 Monaten und länger aufweisen, lassen aufgrund des Herstellungsprozesses überwiegend niedrige Glutengehalte erwarten.