Halle. UMH. Frauen mit verengten Herzkranzgefäßen, der sogenannten koronaren Herzkrankheit, sind in Sachsen-Anhalt seltener in fachärztlicher Behandlung und in strukturierten Behandlungsprogrammen als Männer. Das zeigt eine Studie der Universitätsmedizin Halle, die Geschlechterunterschiede in der Häufigkeit und Qualität der kardiologischen Versorgung im Bundesland untersucht hat. Die Analyse deutet zudem darauf hin, dass sich diese Ungleichheit ungünstig auf die Medikamentenversorgung bei Frauen auswirkt. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „BMC Health Services Research“ erschienen.
Häufigste Todesursache weltweit
Weltweit ist die koronare Herzkrankheit eine der häufigsten Todesursachen. Dabei sind die Koronararterien verengt, was zu einem Herzinfarkt oder einer Herzinsuffizienz führen kann. „In Sachsen-Anhalt ist etwa jede:r Achte der über 30-Jährigen von einer koronaren Herzkrankheit betroffen. Damit ist das Land bundesweit Spitzenreiter. Ziel der Studie war es herauszufinden, ob es dabei Unterschiede zwischen Frauen und Männern in der Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen und der Medikation gibt. Dafür haben wir anonymisierte Krankenkassendaten von mehr als 130.000 betroffenen Personen aus drei Jahren analysiert“, erklärt Erstautor Dr. Steffen Fleischer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften an der Universitätsmedizin Halle.
Fast alle Betroffenen erhielten in diesem Zeitraum eine allgemeine medizinische Versorgung, aber nur ein Teil begab sich darüber hinaus in eine regelmäßige fachärztliche Betreuung: Während 22 Prozent der Männer mindestens einmal jährlich kardiologisch versorgt wurden, waren es nur 15 Prozent der Frauen. Bei einer sporadischen Inanspruchnahme war der Unterschied ebenfalls beträchtlich: 43 Prozent der Männer, aber nur 33 Prozent der Frauen begaben sich zumindest unregelmäßig, das heißt seltener als einmal jährlich, in die kardiologische Versorgung. „Dieser Geschlechterunterschied steht im Gegensatz zu Konsultationen in anderen Fachbereichen. Ob diese Differenz bei der koronaren Herzkrankheit durch eine anders empfundene Krankheitslast bedingt ist, Frauen seltener in Fachpraxen überwiesen werden oder andere Ursachen verantwortlich sind, zeigen die zugrundeliegenden Daten leider nicht“, so der Gesundheitswissenschaftler. Außerdem nahmen weniger Frauen an strukturierten Behandlungsprogrammen teil, die darauf abzielen, Patient:innen mit solchen chronischen Erkrankungen durch Beratung und Verlaufskontrollen zu unterstützen.
Folgen für die Versorgung mit Medikamenten
Die Studie untersuchte zudem inwiefern die Versorgung mit verschreibungspflichtigen Medikamenten durch eben jene fachärztliche Betreuung oder Programme beeinflusst wird. Diese Faktoren wirkten sich demnach positiv auf die Medikamentenversorgung der Betroffenen aus. Das zeigte sich konkret für Medikamente, die beispielsweise gegen Bluthochdruck verschrieben werden wie Beta-Blocker, ACE-Hemmer und AT-II-Antagonisten oder die als Cholesterinsenker Verwendung finden wie Statine. Der positive Effekt auf die Versorgung mit Blutdruckmedikamenten galt gleichermaßen für Frauen und Männer. Nur bei Statinen wurde eine Kluft zwischen den Geschlechtern deutlich: Durchschnittlich 42 Prozent aller Betroffenen erhielten Statine, wobei Männer diese Medikamente in 50 Prozent und Frauen in 35 Prozent der Fälle verschrieben bekamen. Und das, obwohl rein zahlenmäßig mehr Frauen für die Statin-Verschreibung infrage gekommen wären.
„Vor dem Hintergrund, dass die Medikamentenversorgung durch diese Gesundheitsleistungen grundsätzlich verbessert wird, ist deren geringere Inanspruchnahme durch Patientinnen besonders kritisch zu hinterfragen. Warum eine Ungleichheit bei Statinen besteht, ist bislang unklar. Von unzureichenden Informationen bis zu Bedenken der Fachärzt:innen hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen sind viele Faktoren als Ursache denkbar. Es braucht weitere Forschung, um diese genauer herausarbeiten zu können“, so Fleischer. Die Ergebnisse unterstreichen am Beispiel von Personen mit koronarer Herzkrankheit den anhaltenden Bedarf an Maßnahmen zur Verringerung geschlechtsspezifischer Unterschiede bei der Bereitstellung von Gesundheitsleistungen, so die Autor:innen.
Die Studie wurde gefördert durch die AOK Sachsen-Anhalt.