Köln. FW. Verbale Provokationen, fragwürdige Begriffe, ausgeleierte Floskeln und geframte Phrasen haben die Nachrichtenberichterstattung auch im vergangenen Jahr geprägt. Besonderes Augenmerk verdienten dabei erneut jene zur Pandemie und zur Klimapolitik, aber auch zur Energiekrise, die gelegentlich wenig durchdacht waren, mit denen teils distanzlos berichtet wurde oder die gezielt in den medialen Umlauf gebracht wurden.
Udo Stiehl und Sebastian Pertsch, die Macher hinter der ausgezeichneten sprach- und medienkritischen „Floskelwolke“, haben aus Vorschlägen und eigenen Beobachtungen fünf Kandidaten ausgewählt, die im abgelaufenen Jahr besonders für Stirnrunzeln und Kopfschütteln gesorgt haben, und sie zu „Floskeln des Jahres 2022“ gekürt. Der Negativpreis wurde zum dritten Mal vergeben.
Die Anzahl der qualifizierten Vorschläge für das Jahr 2022 war im Vergleich zum Vorjahr ähnlich hoch: Mehr als 70 Begriffe und Formulierungen, die einen Bezug zum vergangenen Jahr hatten, wurden von den Leserinnen und Lesern eingereicht. Neben den TOP 5 „Freiheit“, „Sozialtourismus“, „technologieoffen“, „Klimakleber“ und „Doppel-Wumms“ wurden die ebenfalls preiswürdigen Formulierungen „Zeitenwende“, „Wertegemeinschaft“, „Corona-Pause“, „Immunschuld“ und „Resilienz“ vorgeschlagen, schafften es aber nicht aufs Siegertreppchen.
Das sind die fünf Gewinner
1. Freiheit
Ich, ich, ich! Der Freiheitsbegriff wird entwürdigt von Egoman*innen, die rücksichtslos demokratische Gesellschaftsstrukturen unterwandern. Im Namen der Freiheit verkehren sie selbstgerecht und unsolidarisch die essenziellen Werte eines Sozialstaates ins Gegenteil – alles für den eigenen Vorteil.
2. Sozialtourismus
Der Begriff suggeriert, dass Einwander*innen vor allem wegen Sozialleistungen kämen. Rechtslastiger Populismus in der Union hat Tradition. Schließlich war sie es vor zehn Jahren, die dem „Sozialtourismus“ zum „Unwort des Jahres“ verhalf – und die zynische Wortwahl auch im vergangenen Jahr pflegte.
3. technologieoffen
Auf altbackene Techniken beharren und unwirtschaftliche Ideen aus der Glaskugel anpreisen. Nach allen Seiten offen und modern zu erscheinen, ist sprachlicher Nebelkerzenweitwurf bei marktwirtschaftlicher Sturheit. Wissenschaftlich valide Konzepte verblassen im Dunst dieser scheinbaren Offenheit.
4. Klimakleber
Einprägsame Alliteration, die an Verächtlichkeit kaum zu überbieten ist. Ein knappes Sprachetikett für Menschen, die ungeachtet ihrer Ziele auf die Protestform reduziert werden. Auch die Etikettierer*innen aus Boulevard und Politik schreien nach Aufmerksamkeit, haben aber nur selten Gegenargumente.
5. Doppel-Wumms
Die zweite Auflage der „Bazooka“ liegt auf dem Tisch, doppelt munitioniert mit Subventionen für Energiekonzerne und Verbraucher*innen. Der „Wumms“ aus dem Doppellauf der Büchse kostet so viel, dass er wohl nur noch lautmalerisch vermittelbar ist. Wir erwarten weitere „Piff-, Paff- und Puff“-Gesetze!