Neun-Euro-Ticket bringt deutlichen Fahrgastanstieg in Sachsen-Anhalt

SBahn
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Infrastruktur ist für Passagieranstieg nicht gut gerüstet

Magdeburg. MID/LSA. Sachsen-Anhalts Ministerin für Infrastruktur und Digitales, Dr. Lydia Hüskens, zog heute in Magdeburg ein insgesamt positives Zwischenfazit seit Einführung des Neun-Euro-Tickets vor einem Monat.

Tatsächlich hätten deutlich mehr Menschen Bahn und Bus genutzt, sagte Hüskens. „Der öffentliche Nahverkehr ist in diesen Wochen gefragt wie selten zuvor. Allein in Sachsen-Anhalt wurden bisher mehr als 400.000 Tickets verkauft. Das eigentliche Ziel, die Menschen in unserem Land zu entlasten, wird täglich erreicht“, sagte die Ministerin. Zudem schaffe der günstige Fahrschein einen Anreiz für den Umstieg vom eigenen Auto.

Nach Auskunft von Hüskens haben sich die Passagierzahlen auf allen Zugstrecken im Land und zu allen Zeiten deutlich erhöht. Die klassischen morgendlichen Pendlerzüge, wie beispielsweise die S-Bahn zwischen Halle und Leipzig, befördern derzeit durchschnittlich rund 30 Prozent mehr Kunden. Dabei verdoppeln sich die Zahlen im Tagesverlauf oftmals. Von hohen Steigerungsraten sind insbesondere jene Achsen betroffen, auf denen Fernreisende zwischen den Metropolregionen unterwegs durch Sachsen-Anhalt sind. Die Linie RE 13 Magdeburg – Leipzig, die sowohl im Pendler-, als auch im Freizeit- und Transitverkehr nachgefragt wird, hat montags bis freitags rund 6.000 zusätzliche Fahrgäste und am Wochenende sogar gut 7.000 mehr.

Aber auch Züge in touristische Regionen, wie zum Beispiel in den Harz, werden am Wochenende erwartungsgemäß stärker nachgefragt. Auch hier war die Zahl der Fahrgäste mindestens doppelt so hoch wie noch im Vormonat. Auf der für den Tourismusverkehr in den Harz wichtigen Route Halle – Halberstadt – Goslar (RE 4) sind sonst montags bis freitags durchschnittlich weniger als 2.000 Reisende täglich unterwegs, an den Wochenenden etwas mehr. Mit Einführung des 9-Euro-Tickets haben sich diese Zahlen deutlich auf 4.000 bis 5.000 Reisende erhöht. Inwieweit der Ferienbeginn in zwei Wochen zu einem weiteren Anstieg der Zahlen führe, bleibe abzuwarten, sagte die Ministerin.

„Nicht ganz unerwartet, gab es bei diesem Ansturm aber auch einige Probleme“, sagte Lydia Hüskens mit Blick auf einige Störungen im Reiseverkehr. „Viele Anhaltspunkte dafür, was unbedingt besser werden muss, wenn wir die Menschen langfristig von den Vorteilen des ÖPNV überzeugen wollen, sind in diesen ersten Wochen noch einmal ganz deutlich zutage getreten“, betonte sie.

Nach den Worten der Ministerin habe die Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt GmbH (NASA) zwar nach Kräften frühzeitig und in enger Zusammenarbeit mit den sachsen-anhaltischen Eisenbahnunternehmen für mehr Wagons gesorgt. Dadurch ist es zumindest gelungen, auf vielen Strecken mehr Sitzplatzkapazitäten anzubieten. Aufgrund knapper Ressourcen an Fahrzeugen und Personal sind weitere Aufstockungen trotz aller Bemühungen längerfristig aber kaum umsetzbar.

„Mehr Reisende zu betreuen, bedeutet nicht nur, ausreichend Sitzplätze anzubieten. Es besteht auch ein weitaus höherer Bedarf an Information. Und sauber müssen die Züge auch sein. Hinzu kommt, dass wir uns immer noch mitten in der Pandemie befinden, die immer wieder zu personellen Ausfällen führt. Nicht zuletzt bringen die hohen Temperaturen Mensch und Material an ihre Belastungsgrenzen. Einige Wald- und Böschungsbrände haben den Zugverkehr zusätzlich beeinträchtigt“, warb die Ministerin aber auch um Verständnis für den einen oder anderen Engpass. Vergleichbare Probleme habe es im lokalen Nahverkehr im Bus bzw. Straßenbahnverkehr nicht gegeben.

„Letztlich zeigt uns der Feldversuch 9-Euro-Ticket aber eines ganz deutlich: die Infrastruktur ist für diesen spürbaren Passagieranstieg einfach nicht gut gerüstet“, sagte die Ministerin. Es habe in den vergangenen Jahren ganz klar zu wenig Investitionen gegeben.

„Dabei stehen sowohl der Bund als auch die Länder in der Verantwortung. Wir können bei diesem Thema nicht gegenseitig mit den Fingern aufeinander zeigen. Darüber müssen wir reden, sowohl in Berlin als auch in Magdeburg. Die Verhandlung über die künftige Ausgestaltung der Regionalisierung werden hart geführt. Wir sollten aber die derzeitige Chance, den Schienenverkehr zu stärken, nicht ungenutzt lassen. Ich möchte, dass die Menschen in unserem Land alle Formen der Mobilität frei wählen können. Dafür braucht es gut ausgebaute Infrastrukturen: Radwege, Straßen aber eben auch attraktive Angebote des öffentlichen Nahverkehrs“, so Hüskens abschließend.

Hintergrund
In Sachsen-Anhalt finden wochentags rund 1.700 Zugfahrten statt. An den Wochenenden sind es rund 1.400 Fahrten täglich.