Gewalttat von Bad Lauchstädt: Maßnahmen zum Umgang mit Fällen häuslicher Gewalt eingeleitet

Grablicht
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Magdeburg. MI/LSA. Nach dem gewaltsamen Tod einer 59 Jahre alten Frau in Bad Lauchstädt am 8. März 2023 hat sich das Ministerium für Inneres und Sport umfangreich berichten lassen, wie die Polizei- und die Waffenbehörde vor Ort vor der Gewalttat mit dem Fall von häuslicher Gewalt im familiären Umfeld umgegangen sind. Die bisherige Auswertung dieser Berichte legt den Schluss nahe, dass der polizeiliche Umgang mit dem Geschehen hätte anders und vor allem professioneller erfolgen müssen.

Bei der Aufklärung des Sachverhalts geht es insbesondere auch um die Frage, was unternommen wurde, nachdem das Opfer am 1. Februar 2023 die Polizei einschaltete: Der von ihr getrennt lebende Ehemann hatte die Frau zuvor mit dem Auto verfolgt und versucht, sie aus ihrem Wagen zu ziehen. Der 61 Jahre alte Mann war seit diesem Zeitpunkt als Waffenbesitzer bekannt.

Das Polizeirevier Saalekreis hätte seit dem 1. Februar 2023 vertieft weiter ermitteln, unbedingt die vorgeschriebene Gefährderansprache umsetzen, eine Gefährdungsanalyse treffen und gewonnene Informationen beweissicher dokumentieren müssen. Für eine Entscheidung der Waffenbehörde, die waffenrechtliche Eignung zu überprüfen und die waffenrechtlichen Erlaubnisse zu entziehen, wäre es dringend erforderlich gewesen, dass Polizei und Waffenbehörde bei der Gefährdungsbewertung enger zusammengearbeitet hätten.

Innenministerin Dr. Tamara Zieschang: „Auch ich bin erschüttert über die Tat in Bad Lauchstädt. Den Angehörigen der getöteten Frau gehört mein und unser aller Mitgefühl. Die entsetzliche Tat zeigt die Gefahr, die von Menschen ausgeht, die Waffen missbrauchen, um andere zu verletzen oder zu töten. Waffen gehören nicht in die Hände von aggressiven, gewalttätigen oder extremistischen Menschen. In solchen Fällen gilt es, diesen ihre Waffen schnellstmöglich zu entziehen. Es ist in jedem Einzelfall entscheidend, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass legal besessene Waffen missbräuchlich verwendet werden könnten. Das Ministerium für Inneres und Sport hat nun mehrere ergänzende Maßnahmen getroffen, um landesweit Polizei und Waffenbehörden zu sensibilisieren und anzuhalten, bei Fällen von häuslicher Gewalt im familiären Umfeld schnell und konsequent zu handeln und die rechtlichen Möglichkeiten auszureizen. Zum Schutz der Betroffenen. Zu unser aller Schutz.“

Opfer wirksam schützen

Polizei und Waffenbehörden werden nochmals landesweit sensibilisiert, wie mit Fällen von häuslicher Gewalt im familiären Umfeld umzugehen ist. Dabei wird auf die bereits bestehenden, umfangreichen Regelungen nachdrücklich hingewiesen. Mit Blick auf die Polizei geht es darum, Gewalteskalationen zu verhindern und die Opfer wirksam und proaktiv vor weiterer Gewalt zu schützen. Dafür gilt es, alle relevanten Institutionen einzubinden, um eine konsequente Gefahrenabwehr und Strafverfolgung zu gewährleisten. Das bedeutet auch, dass Fälle häuslicher Gewalt im familiären Umfeld mit hoher Priorität bearbeitet, unverzüglich die Opferschutzbeauftragten eingeschaltet und in Fällen, bei denen Tatverdächtige über waffen- oder sprengstoffrechtliche Erlaubnisse verfügen, alle notwendigen Informationen an die zuständigen Behörden übermittelt werden.

Gefährdungsbewertung

Darüber hinaus wird als Sofortmaßnahme nunmehr ergänzend vorgeschrieben, dass es bei Fällen von häuslicher Gewalt im familiären Umfeld, bei denen Tatverdächtige über waffen- oder sprengstoffrechtliche Erlaubnisse verfügen, verpflichtende Fallkonferenzen zwischen Polizei sowie den für Waffen- und Sprengstoffrecht zuständigen Behörden gibt. Dies soll sicherstellen, dass bei der Gefährdungsbewertung eng zusammengearbeitet wird, um die Möglichkeiten des Waffenrechts stringent zu vollziehen.

Einführung eines Hochrisikomanagements

Zudem wird das Hochrisikomanagement für Fälle häuslicher Gewalt im familiären Umfeld bei der Landespolizei ab Frühsommer 2023 landesweit eingeführt. Dieses Konzept sieht vor, dass Fälle von Gewalt in engen sozialen Beziehungen oder Stalking anhand verschiedener Kriterien objektiv daraufhin bewertet werden, ob ein Hochrisikofall vorliegt.

Wenn die betroffenen Opfer einverstanden sind, wird der Fall mit verschiedenen Institutionen besprochen und alle notwendigen Maßnahmen koordiniert. Dabei können je nach Sachlage verschiedene Behörden und Ansprechpartner einbezogen werden, beispielsweise das Jugendamt, die Interventionsstelle, das Jobcenter, das Frauenschutzhaus oder die Ausländerbehörde.

Das Hochrisikomanagement wurde seit 2020 im Rahmen eines Pilotprojektes im Polizeirevier Halle (Saale) erfolgreich erprobt und evaluiert. Im Ergebnis hat sich das Konzept bewährt. Eine landesweite Einführung soll ermöglichen, dass Fälle häuslicher Gewalt im familiären Umfeld in allen Behörden strukturiert und konsequent angegangen und gemeinsam mit allen einzubeziehenden Beteiligten die Opfer geschützt werden.

Hintergrund
Das Ministerium für Inneres und Sport hat sich umfänglich berichten lassen, was die zuständige Polizeibehörde und die zuständige Waffenbehörde seit dem 1. Februar 2023 unternommen haben, als eine Bedrohung der 59-Jährigen durch ihren früheren Partner bekannt wurde. Nach derzeitigem Kenntnisstand stellen sich die Abläufe wie folgt dar: Am 1. Februar 2023 war die 59 Jahre alte Frau aus Bad Lauchstädt in ihrem Auto unterwegs und wurde dabei von ihrem ehemaligen Mann mit einem Auto verfolgt und mehrfach ausgebremst. Der 61-Jährige versuchte auch, sie aus ihrem Auto zu ziehen. Die Frau flüchtete in ein Geschäft und verständigte die Polizei, während der 61-Jährige den Tatort verließ.

Schon während der Anzeigenaufnahme wegen Bedrohung, Nötigung im Straßenverkehr, Straßenverkehrsgefährdung und Nachstellung gab die 59-Jährige an, dass der 61-Jährige unter Alkoholeinfluss hochaggressiv sei und sie Angst vor ihm habe. Zudem schilderte sie, dass der Mann im Besitz von Schusswaffen sei und sie die Befürchtung habe, er könne diese Waffen einsetzen, wenn er volltrunken sei. Das Polizeirevier Saalekreis unterbreitete der 59-Jährigen Informationen und Angebote zum Opferschutz und schaltete mit ihrem Einverständnis die Interventionsstelle Halle (Saale) als Fachberatung bei häuslicher Gewalt und Stalking ein. Weitere Details zu Opferschutzmaßnahmen können zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Verstorbenen nicht genannt werden.

Nach der Aufnahme der Anzeige sollte eine Gefährderansprache beim 61-Jährigen erfolgen, der jedoch nicht angetroffen wurde. Die noch nicht umgesetzte Maßnahme wurde als Aufgabe an die nächste Schicht übergeben. Warum im Nachgang keine Gefährderansprache erfolgte, kann von der Polizeiinspektion Halle (Saale) bislang nicht aufgeklärt werden.

Mit der Anzeige und den Angaben der Frau war der Waffenbesitz des 61 Jahre alten Mannes seit dem 1. Februar 2023 aktenkundig polizeilich bekannt. Am gleichen Tag wurde die zuständige Waffenbehörde des Landkreises Saalekreis von dem Beamten, der die Anzeige aufgenommen hatte, schriftlich über die Strafanzeige und den zugrundeliegenden Sachverhalt informiert. Dabei wurde auch auf den Waffenbesitz und die Befürchtungen der 59-Jährigen eingegangen, ihr früherer Partner könnte Waffen einsetzen. Es wurde explizit darauf hingewiesen, dass die Gefahr besteht, dass der Mann seine Waffen missbräuchlich einsetzt. Zudem teilte das Polizeirevier Saalekreis der Waffenbehörde am 13. Februar 2023 ergänzend zwei weitere Sachverhalte mit, an denen der 61-Jährige als Tatverdächtiger beteiligt war: Eine Strafanzeige vom 19. März 2020 wegen Körperverletzung, bei der die Ehefrau das Opfer war und zu der die Ermittlungen eingestellt worden waren, sowie eine Strafanzeige vom 12. August 2022 wegen einer telefonischen Bedrohung einer anderen Betroffenen. Diese vorliegenden Erkenntnisse wurden auch in die polizeiliche Beurteilung der Gefährdungslage einbezogen.

Diese vorliegenden Erkenntnisse wurden mit dem Ziel an die Waffenbehörde übermittelt, die Eignung des Waffenbesitzes des 61-Jährigen sowie die Erlaubnis zum Führen einer Waffe überprüfen zu lassen. Die Waffenbehörde hat unverzüglich nach Kenntnis des Vorfalls vom 1. Februar 2023 die notwendigen Prüfungen zur waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Waffenbesitzers eingeleitet.

Im Ergebnis hat weder das Polizeirevier Saalekreis wegen Gefahr in Verzug noch die Waffenbehörde die Voraussetzungen für eine sofortige Sicherstellung der Waffen als vorliegend angesehen.

Dieser tödliche Fall häuslicher Gewalt im familiären Umfeld wird mit der gesamten Landespolizei und den Waffenbehörden ausgewertet werden.