Rückblick auf die Elbeflut vor 20 Jahren:
Offenbach. DWD. Zwei Tage lang, am 12. und 13. August 2002, regnete es im Einzugsgebiet der Elbe praktisch ohne Unterbrechung und führte insbesondere in Sachsen zu katastrophalen Überschwemmungen. An der Wetterstation Zinnwald-Georgenfeld des Deutschen Wetterdienstes (DWD), südlich von Dresden, fielen innerhalb 24 Stunden 312 Liter Regen pro Quadratmeter (l/m²). Das ist der absolut höchste Tagesniederschlag, der je in Deutschland beobachtet wurde.
Tief ILSE brachte Rekordniederschläge
Eine wesentliche Voraussetzung für das immense Ausmaß der Überschwemmungen, durch die über 40 Menschen ihr Leben verloren und Schäden von geschätzt rund 15 Milliarden Euro entstanden, war, dass bereits in den Wochen zuvor ergiebige Regenfälle zu einer Wassersättigung des Bodens und zu einem ersten Anstieg der Flusspegel geführt hatten. Im Juli sowie Anfang August 2002 waren mehrmals Regengebiete mit eingelagerten kräftigen Gewittern übers Land gezogen. Dabei fielen lokal begrenzt immer wieder extrem hohe Niederschlagsmengen. Deshalb gab der DWD bereits in diesem Zeitraum überdurchschnittlich viele Wetter- und Unwetterwarnungen heraus.
Weitere Starkniederschläge wurden vor allem in der Zeit vom 07. bis 11. August 2002 für Bayern, Sachsen, Österreich und Tschechien gemessen. Es kam vereinzelt zu ersten Überflutungen, weil die Wassermassen nur noch oberirdisch abfließen konnten. In den Frühstunden des 12. August, einem Montag, zog dann der Kern des Tiefs ILSE, von der Adria kommend, über Tschechien hinweg nordwärts Richtung Sachsen. Es verstärkte sich in den Morgenstunden dort nochmals erheblich. Eine Gegenströmung in der Höhe drückte dabei die mit enormen Mengen an Feuchtigkeit gesättigten Luftmassen gegen die Nordseiten der Mittelgebirge. Durch die damit verbundene erzwungene Hebung in den Frühstunden des 12. wurden schwere Regenfälle und Gewitter auf breiter Front ausgelöst. Flankiert von kräftigen Hochdruckgebieten sowohl über Ost- und auch über Westeuropa kam ILSE nur sehr langsam voran. Das Tief drehte sich gewissermaßen genau über dem Osten Deutschlands ein und regnete sich an dieser Stelle aus. Dieser für ein solches Tiefdruckgebiet – eine sogenannte V-b-Lage – sehr ungewöhnliche Verlauf führte in einigen Regionen zu Regenmengen, die man dort zuvor noch nie gemessen hatte – wie die genannten 312 l/m² an der DWD-Station Zinnwald-Georgenfeld. Dieser Wert entspricht dort etwa dem vierfachen des normalen Niederschlags im gesamten Monat August.
Warnsystem des Deutschen Wetterdienstes schlug bei Elbeflut früh an
Bereits vor dem Wochenende, am Freitag, 09. August 2002, hatte der DWD alle Adressaten für Unwetterwarnungen in den Ländern Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen für das Wochenende auf die Gefahr von Starkniederschlägen hingewiesen. Am Sonntag, 11. August 2002, gab der DWD gegen Mittag eine offizielle Eilmeldung für den Bereich Sachsen-Anhalt und Sachsen heraus, in der für den 12. und 13. vor einem sehr ergiebigen Regengebiet gewarnt wird. Wörtlich hieß es: „Dabei sind zunächst verbreitet Überflutungen von kleineren Flüssen und Bächen sowie Erdrutsche möglich. Da auch im Einzugsgebiet von Elbe und Neiße starke Regenfälle niedergehen, ist in der Folge mit einem starken Anstieg dieser Flusspegel zu rechnen.“ Weitere Warnungen und Informationen folgten dann praktisch im Stundentakt.
DWD bietet heute maßgeschneiderte Vorhersagen für einzelne Regionen an
Seit den Ereignissen im August 2002 hat der DWD sowohl die Wettervorhersagen als auch sein Warnmanagement kontinuierlich weiterentwickelt. Neben verbesserten Wettervorhersagemodellen, leistungsstärkeren Großrechnern und neuen Verfahren, insbesondere auch in der Kürzestfristvorhersage (bis zwei Stunden), wurde die Zusammenarbeit mit den zuständigen Landesbehörden und Katastrophenschutzeinrichtungen ausgebaut und weiter an die Bedürfnisse der Nutzer angepasst. Gerade die Verlässlichkeit der Kurzfristvorhersagen (bis zwei Tage) beim Niederschlag hat sich in den vergangenen 20 Jahren durch erhöhte Modellauflösungen, zeitlich wie räumlich, sowie die Ensemblevorhersagen mit ihren Informationen zu Eintrittswahrscheinlichkeiten signifikant verbessert. Zum Beispiel gibt es heute fünfminütige Aktualisierungen von radarbasierten Produkten. Diese sind bei Niederschlagsereignissen besonders wichtig, um Intensität und Zugbahn des Niederschlags noch besser vorherzusagen.
Um Vorhersagen über Zuflüsse und Pegelstände zu berechnen, verwenden Hydrologen beim Bund und in den Ländern auch die Beobachtungen und Vorhersagen des Deutschen Wetterdienstes. Kommt es zu einem Hochwasser, dann sind die Berechnungen zur Höhe und Länge des Hochwasserscheitels entscheidend für alle weiteren Planungen, insbesondere der Katastrophenschutzeinrichtungen. Für die hydrologischen Abflussmodelle werden heute die Daten des Wettervorhersagemodells ICON des DWD genutzt. Gleichzeitig stellt der DWD den Behörden Niederschlagsdaten von Wetterstationen und flächendeckende, räumlich und zeitlich hoch aufgelöste Daten aus seinem Radarverbund zur Verfügung. Alle diese Informationen werden auch über das WasserwirtschaftsWetterInformationssystem (WaWis) des DWD bereitgestellt. Die Meteorolog:innen des DWD stehen ihren Partnern zudem mit Rat und Tat zur Seite und erarbeiten bei Bedarf individuelle Prognosen für die einzelnen Flusseinzugsbiete oder längerfristige Trendvorhersagen.
Der DWD erstellt heute für jede landeseigene Hochwasserzentrale (HWZ) maßgeschneiderte Vorhersagen. Diese werden für die Region Mitteldeutschland, das sind die Freistaaten Sachsen und Thüringen sowie Sachsen-Anhalt, in der Regionalen Wetterberatung Leipzig des DWD ausgegeben. Für einzelne Flusseinzugsgebiete, zum Beispiel der Saale und Elbe, stellt der DWD auch probabilistische Prognosen bereit. Hierbei werden detaillierte Wahrscheinlichkeiten angegeben, wann verschiedene Niederschlagsschwellen überschritten werden könnten. Damit kann die Unsicherheit bei der Vorhersage der Regenmengen besser abgeschätzt werden. Eine Besonderheit betrifft Sachsen. Da große Teile der Flusseinzugsgebiete der Elbe und Neiße in der Tschechischen Republik bzw. in Polen liegen, bezieht der DWD bei der Erstellung der Prognosen sowohl die Wetterlage als auch die Niederschlagsentwicklung über den Nachbarländern ein.
Ausblick: Weitere Verbesserungen im DWD-Warnmanagement bereits in Planung
Auch das Unwetterereignis vom Juli 2021, von dem insbesondere Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen betroffen waren, hat wie die Elbeflut 2002 gezeigt, dass der nationale Wetterdienst sein Warnsystem kontinuierlich weiterentwickeln und immer besser an die Bedürfnisse seiner Partner anpassen muss. Eine Analyse habe gezeigt, so der DWD, dass die frühzeitigen und zutreffenden Warnungen des DWD zum Beispiel für die Region Ahrtal nicht optimal genutzt worden waren. Bei der Weiterentwicklung des Warnsystems steht deshalb jetzt zum Beispiel im Fokus, die Warnungen für die Einsatzkräfte und die Bevölkerung noch verständlicher und auf die individuellen Bedürfnisse der Nutzer:innen zugeschnitten anzubieten.
Darüber hinaus investiert der DWD weiterhin in moderne Technik. So ist derzeit unter anderem der weitere Ausbau des DWD-Radarverbundes in der Planung, um die flächendeckende Erfassung von Niederschlägen in Deutschland weiter zu optimieren. Dazu gehören neue Radarstandorte in den Metropolregionen Leipzig/Halle, Bremen, Nürnberg/Mittelfranken und Karlsruhe/Rheintal.