Halle. UMH. Die Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls (IHA) ist die medizinische Voraussetzung für eine postmortale Organspende. Damit Ärzt:innen die Diagnostik sicher und richtlinienkonform durchführen können, hat ein Team der Universitätsmedizin Halle einen neuen Fortbildungskurs konzipiert. Er vermittelt das komplexe Fachwissen nicht nur theoretisch, sondern vor allem praxisnah – mit Simulationen, Fallbeispielen und Kommunikationstraining. Das Angebot ist einzigartig in Mitteldeutschland.
„Die Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls ist eine durch die Bundesärztekammer streng regulierte Prozedur, die jedoch verhältnismäßig selten durchgeführt“, erklärt Dr. Josephin Damm, Fachärztin für Neurologie an der Universitätsmedizin Halle und Initiatorin des Kurses. „Die richtlinienkonforme Feststellung des IHA ist notwendig, um den Tod des Menschen festzustellen, was gleichsam die Voraussetzung für eine postmortale Organspende darstellt. Unsicherheiten oder vermeidbare zeitliche Verzögerungen in der Feststellung des IHA können den Prozess der Organspende gefährden. Damit können Chancen verloren gehen, schwerkranken Menschen das Leben zu retten. Unser Kurs soll qualifizierte Ärzt:innen befähigen, die komplexen Abläufe sicher und verantwortungsvoll durchzuführen.“
Der Hirntod, fachsprachlich irreversibler Hirnfunktionsausfall, bezeichnet den eindeutigen Tod eines Menschen nach neurologischen Kriterien. Er ist eingetreten, wenn Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm unumkehrbar nicht mehr funktionieren, unterliegt strengsten Kriterien und darf nur von zwei spezialisierten Fachärzt:innen, darunter ein:e Neurolog:in, diagnostiziert werden. Es handelt sich um ein seltenes Phänomen, das nur auf der Intensivstation eines Krankenhauses festgestellt werden kann.
„Es gibt zwar Fachveranstaltungen zur Vermittlung der Theorie, aber in Mitteldeutschland bisher keine Praxiskurse“, sagt Dr. Damm. „Wir haben ein bedarfsgerechtes Angebot entwickelt, das diese Lücke schließt.“ Das Interesse an dem im Februar 2025 zunächst hausintern durchgeführten Praxiskurs zur Diagnostik des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls war so groß, dass das Angebot nun erweitert wurde. Ende November erwartet das Team der Universitätsmedizin Halle, das im Rahmen des Projekts eng mit der Ärztekammer Sachsen-Anhalt und der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) zusammenarbeitet, Teilnehmende aus ganz Mitteldeutschland.
Im Dorothea-Erxleben-Lernzentrum Halle (DELH) trainieren die Teilnehmenden in Kleingruppen an modernsten Simulatoren, um verschiedene Szenarien so realistisch wie möglich nachstellen zu können. Auch Fallstricke und die korrekte Dokumentation stehen auf dem Programm. Ein weiterer Teil ist das Kommunikationstraining, das von Josephin Jahnke, Diplom-Psychologin und Psychologische Transplantationsbeauftragte am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, begleitet wird, und bei dem die zumeinst anspruchsvollen Gesprächsitutationen mit An- und Zugehörigen potenzieller Organspender:innen simuliert werden.
„Der einmalige Praxiskurs zur Diagnostik des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls verdeutlicht, wie praxisorientierte Fortbildungsangebote zur Qualitätssicherung in der Medizin beitragen. Zugleich ist er ein wichtiger Baustein in unserem Lehrkonzept, das auf handlungsorientiertes Lernen setzt. Indem wir klinische Entscheidungsprozesse simulieren, stärken wir nicht nur die Sicherheit in der Patient:innenversorgung, sondern fördern auch die Verbindung zwischen Lehre, Forschung und ärztlicher Weiterbildung an der Universitätsmedizin Halle“, sagt Dr. Dietrich Stoevesandt, Leiter des DELH.