Magdeburg. AOK. In Sachsen-Anhalt ist die finanzielle Belastung von Pflegebedürftigen, die im Pflegeheim leben, im vergangenen Jahr laut einer aktuellen Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) erneut gestiegen. Die Gesamtbelastung lag 2023 mit durchschnittlich 1.800 Euro pro Monat rund 16 Prozent über dem Vorjahreswert. Einer Prognose zufolge werden auch die Anhebung der Zuschläge und die geplante Dynamisierung der Leistungssätze im Jahr 2025 einen weiteren Anstieg nicht stoppen können.
2023 mussten Pflegeheimbewohner in Sachsen-Anhalt durchschnittlich 771 Euro als einrichtungsbezogenen Eigenanteil leisten, hinzu kamen im Schnitt 720 Euro für Unterkunft und Verpflegung sowie 309 Euro für Investitionskosten. Durch die 2022 eingeführten Zuschläge, die nach Wohndauer gestaffelt sind, wurde den Bewohnerinnen und Bewohnern im Schnitt 493 Euro erstattet. Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Gesamtbelastung von 1.800 Euro pro Monat. Ein neuer Höchststand.
Für eine teilweise Entlastung haben die Zuschläge der Pflegekassen nach Wohndauer gesorgt, insbesondere bei den Pflegebedürftigen mit langer Wohndauer von mehr als drei Jahren. So zahlten diese Bewohnerinnen und Bewohner – dies sind rund 40 Prozent der vollstationär Pflegebedürftigen – im vergangenen Jahr für ihre Pflege einen einrichtungsbezogenen Eigenanteil von lediglich 379 Euro statt 771 Euro. „Insgesamt ist der Trend zu immer höheren Eigenanteilen allerdings ungebrochen“, betont Britta Müller, Leiterin der Pflegekasse bei der AOK Sachsen-Anhalt. So lag die durchschnittliche finanzielle Belastung der Bewohnerinnen und Bewohner in Sachsen-Anhalt im Jahr 2017 mit 1.113 Euro noch rund 38 Prozent niedriger als heute.
Große regionale Unterschiede, aber Trend zur Angleichung der Preise
Die WIdO-Analyse zur Entwicklung im Jahr 2023 umfasst auch einen Vergleich zwischen den einzelnen Bundesländern. Er macht deutlich, dass die Höhe der finanziellen Belastungen der Pflegeheim-Bewohnenden in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich ist und Sachsen-Anhalt trotz allem noch die niedrigsten Zuzahlungen hat: Während die Gesamt-Zuzahlungen Ende 2023 im Saarland bei 2.640 Euro pro Monat lagen, waren es in Sachsen-Anhalt lediglich 1.800 Euro. Besonders groß ist die Spanne bei den Kosten für Unterkunft und Verpflegung: Während in Sachsen-Anhalt nur 720 Euro zu bezahlen sind, sind es in Nordrhein-Westfalen 1.156 Euro.
Laut WIdO-Analyse haben sich die Preise zwischen den Regionen über die Jahre jedoch deutlich angeglichen. So lagen die durchschnittlichen Pflegesätze in den westlichen Bundesländern 2019 noch mehr als 200 Euro über denen im Osten. Inzwischen hat sich dieser Unterschied auf 44 Euro verringert. Diese Angleichung hängt nach Einschätzung des WIdO unter anderem mit der Einführung der Tariftreue-Regelungen zum 1. September 2022 zusammen. Seitdem dürfen die Landesverbände der Pflegekassen Versorgungsverträge nur noch mit Pflegeinrichtungen schließen, die mindestens in Tarifhöhe bezahlen, was ganz wesentlich zur Angleichung der Preise beigetragen haben dürfte.
Steigende Zuschläge und Pflegesätze halten Steigerungen nicht auf
Zum 01. Januar 2024 sind die Zuschläge der Pflegekassen für pflegebedingte Aufwände angehoben worden. Mit Beginn des Jahres 2025 sollen dann auch die allgemeinen Leistungssätze der Pflegeversicherung steigen: Statt beispielsweise bisher 1.775 Euro pro Monat bei Pflegegrad 4 gibt es dann 1.855 Euro (+ 4,5 Prozent).
„Schon jetzt ist aber absehbar, dass die Kosten für die Pflege im Heim weiter steigen werden. Das hat unter anderem mit den gestiegenen Lohnkosten zu tun“, sagt Müller. „In einer Prognose zur weiteren Entwicklung der pflegebedingten Eigenanteile hat das WIdO verschiedene Szenarien durchgespielt. Wenn man von einer im Vergleich zu den Vorjahren eher moderaten Steigerung der Eigenanteile um 10 Prozent ausgeht, werden die Eigenanteile bereits 2025 trotz der beschlossenen Erhöhungen der Zuschläge und der Dynamisierung der Leistungssätze wieder über dem Niveau von 2023 liegen.“
Wirksame und nachhaltige Lösungen zur Begrenzung des Anstiegs nötig
Die Begrenzung des Anstiegs der Zuzahlungen im Pflegeheim steht schon seit 2019 auf der Agenda. Die Pflegeversicherung leistet mit den nach Wohndauer gestaffelten Zuschüssen bereits einen wichtigen Beitrag und hat dafür allein im Jahr 2023 bundesweit insgesamt 3,9 Milliarden Euro zur Entlastung der Pflegeheim-Bewohnenden ausgegeben.
Eine weitere schnelle Entlastung wäre aus Sicht der AOK Sachsen-Anhalt möglich, wenn man die Ausbildungskosten aus den Eigenanteilen der Pflegebedürftigen herausnehmen würde. Müller: „Das ist ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag der Ampelfraktionen im Bund, das endlich eingelöst werden sollte. Außerdem fordern wir, dass die Investitionskosten der Pflegeheime nicht mehr weiter den Pflegebedürftigen aufgebürdet werden. Sie sollten als Teil der Daseinsvorsorge vollständig von den Ländern getragen werden. Sinnvoll wäre es zudem, die steigenden Eigenanteile der pflegebedürftigen Menschen durch eine jährliche Dynamisierung der Pflegeleistungen zu verringern.“
Insgesamt sei dringend eine finanzielle Stärkung der Pflegeversicherung nötig, nachdem die Pflegekassen schon auf den Corona-Kosten sitzen geblieben sind. Die Streichung des Bundeszuschusses zur Pflegeversicherung bis einschließlich 2027 war ein weiterer falscher Schritt, der unbedingt korrigiert werden müsse.
Der Bund sollte die Pflegeversicherung endlich – wie im Koalitionsvertrag zugesagt – um die sogenannten versicherungsfremden Leistungen entlasten. Die steigenden Kosten dürfen nicht allein den Beitragszahlenden und Pflegebedürftigen aufgebürdet werden.
Analysen zur Entwicklung der Eigenanteile in der vollstationären Pflege stellt das WIdO quartalsweise unter https://www.wido.de/forschung-projekte/pflege/finanzierung-der-pflege/entwicklung-eigenanteile bereit.