Halle. UMH. Kinder und Jugendliche an deutschen Schulen schätzen ihre Gesundheit größtenteils als gut ein. Allerdings bewegen sich fast alle von ihnen zu wenig und die gesundheitliche Situation ist stark vom Wohlstand, Alter und Geschlecht abhängig. Das sind einige Ergebnisse der bundesweiten HBSC-Studie (Health Behaviour in School-aged Children), die heute vorgestellt wurde.
Die aktuellen Daten für Deutschland hat ein Forschungsverbund unter Leitung der Technischen Universität München (TUM) und der Universitätsmedizin Halle erhoben. Die Wissenschaftler:innen untersuchten Fragestellungen rund um die Themen körperliche Aktivität, Mobbing und Cybermobbing, psychisches Wohlbefinden, Gesundheitskompetenz und gesundheitliche Ungleichheiten. An der jüngsten Erhebung im Jahr 2022 beteiligten sich 6.475 Schüler:innen im Alter von 11 bis 15 Jahren aus ganz Deutschland. Die Ergebnisse sind im Journal of Health Monitoring erschienen.
Ergebnisse aus der aktuellen Erhebung
Bewegung und Sport
- Nur etwa jedes zehnte Mädchen, jeder fünfte Junge sowie jede:r achte der gender-diversen Heranwachsenden erfüllte die Empfehlung der WHO für tägliche Bewegung von mindestens 60 Minuten.
- Je älter die Befragten waren, desto weniger bewegten sie sich. Während rund 15 Prozent der elfjährigen Mädchen die WHO-Bewegungsempfehlung erreichten, waren es bei den Fünfzehnjährigen nur knapp sieben Prozent.
- Während die körperliche Aktivität von 2009 bis 2022 bei Jungen relativ stabil blieb, nahm diese bei Mädchen insgesamt leicht ab.
„Wie geht es mir?“ – Subjektive Gesundheit und psychosomatische Beschwerden
- 84 Prozent der Kinder und Jugendlichen berichteten nach Selbsteinschätzung einen guten eigenen Gesundheitszustand und 87 Prozent eine hohe Lebenszufriedenheit. Diese hat sich gegenüber der Erhebung 2017/18 zwar verschlechtert, im Vergleich zu den Erhebungen 2009/10 sowie 2013/14 ist die Lebenszufriedenheit jedoch gestiegen.
- Es konnte ein kontinuierlicher Anstieg von vielfältigen psychosomatischen Beschwerden, wie beispielsweise Bauch- oder Kopfschmerzen, Einschlafproblemen oder Gereiztheit, zwischen 2010 und 2022 beobachtet werden.
- Mädchen, gender-diverse Heranwachsende und ältere Jugendliche berichteten häufiger von einer schlechten Gesundheit, niedrigen Lebenszufriedenheit oder multiplen psychosomatischen Beschwerden.
Mobbing und Cybermobbing
- Die Häufigkeit von Mobbing in der Schule hat sich seit 2017 kaum verändert, ist aber im Vergleich zu 2009 und 2013 geringer geworden. Allerdings ist der Anteil der von Cybermobbing betroffenen Schüler:innen im Vergleich zu 2017 von vier auf sieben Prozent angestiegen.
- Über acht Prozent der Schüler:innen berichteten, in der Schule gemobbt zu werden. Etwa drei Prozent – und damit im Durchschnitt eine:r pro Klasse – gaben an, selbst zu mobben. Gender-diverse Schüler:innen sind besonders betroffen – hier berichtete fast jede:r Dritte von Mobbingerfahrungen.
Gesundheitskompetenz: Das Vermögen, mit Gesundheitsinformationen umzugehen
- Für rund ein Viertel der Schüler:innen lässt sich eine geringe Gesundheitskompetenz ableiten.
- Die Gesundheitskompetenz hängt stark von den individuellen Umständen wie Geschlecht, Alter, Schulform und familiärem Wohlstand ab.
- Die Gesundheitskompetenz hat sich zwischen 2017/18 und 2022 kaum verändert.
Gesundheitliche Ungleichheit – Zusammenhang zwischen Gesundheit und Wohlstand oder Geschlecht
- In Familien mit niedrigem Wohlstand geben 24 Prozent der weiblichen Heranwachsenden eine niedrige Lebenszufriedenheit an. Das ist doppelt so häufig wie bei Schülerinnen mit höherem sozioökonomischen Status. Bei männlichen Heranwachsenden mit niedrigem familiären Wohlstand geben 17 Prozent eine niedrige Lebenszufriedenheit an. Das ist dreimal so häufig wie bei Schülern mit höherem sozioökonomischen Status.
- Im Vergleich zu 2018 sind die Anteile der Schüler:innen, die eine niedrige Lebenszufriedenheit angaben, leicht gestiegen.
- Das hohe Niveau der gesundheitlichen Ungleichheiten zwischen Schüler:innen mit unterschiedlichem sozioökonomischem Status hat sich zwischen 2017/18 und 2022 nicht verschärft, ist aber weiterhin auf hohem Niveau.
“Der Grundstein für die Gesundheit im Erwachsenenalter wird in Kindheit und Jugend gelegt“, sagt Studienleiter Matthias Richter, Professor für Soziale Determinanten der Gesundheit an der TUM. „Unsere Zahlen zeigen leider, dass uns das als Gesellschaft nicht immer gut gelingt. Auch wenn die Kinder und Jugendlichen grundsätzlich zufrieden sind: Dass psychosomatische Beschwerden seit Jahren zunehmen und nur eine Minderheit sich ausreichend bewegt, kann schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Hier müssen mehr Angebote geschaffen werden, die junge Menschen auch tatsächlich erreichen.“
„Die Ergebnisse unterstreichen nochmals, dass nicht alle Kinder und Jugendlichen die gleichen Gesundheitschancen haben. Um Mobbing, gesundheitliche Ungleichheiten und die Häufigkeit psychosomatischer Beschwerden zu reduzieren, braucht es zielgruppenspezifische Maßnahmen, die beispielsweise Schulform, Migrationshintergrund, sozioökonomischen Status, Geschlecht und Alter besonders berücksichtigen. Mädchen, ältere und gender-diverse Heranwachsende sind in vielen Bereichen besonders betroffen“, erklärt Dr. Irene Moor von der Universitätsmedizin Halle. Als stellvertretende Studienleitung koordiniert sie das Vorhaben am halleschen Institut für Medizinische Soziologie.
Hintergrund
Die HBSC-Studie ist eine internationale Studie an der 51 Länder beteiligt sind und die in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelt wurde. Alle vier Jahre werden repräsentative Umfragen an Schulen durchgeführt.
Der HBSC-Studienverbund Deutschland umfasst sieben Standorte, die sich jeweils auf unterschiedliche Themenbereiche spezialisiert haben, und wird gemeinsam durch die Technische Universität München (Prof. Dr. Matthias Richter) und die Universitätsmedizin Halle (Dr. Irene Moor) geleitet. Weitere beteiligte Standorte sind die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg (Prof. Dr. Ludwig Bilz), das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer), die Pädagogische Hochschule Heidelberg (Prof. Dr. Jens Bucksch), die Universität Tübingen (Prof. Dr. Gorden Sudeck) und die Hochschule Fulda (Prof. Dr. Katharina Rathmann, Prof. Dr. Kevin Dadaczynski).