Bedeutung der Kulturberichterstattung im MDR: Kulturinstitutionen verfassen offenen Brief

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Halle/TOO. Vertreterinnen und Vertretern zahlreicher Kulturinstitutionen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wandten sich jüngst mit einem offenen Brief an den Intendanten des MDR, Ralf Ludwig, sowie an den MDR-Rundfunkrat.

Mit dem Schreiben möchten sie ihre große Sorge über die angekündigten Einsparungen im Programm- und Produktionsbereich des Mitteldeutschen Rundfunks zum Ausdruck bringen – insbesondere mit Blick auf die Kulturberichterstattung und die Rolle von MDR Klassik für die kulturelle Öffentlichkeit im mitteldeutschen Raum.

Der offene Brief bündelt die Perspektiven und Erfahrungen der unterzeichnenden Häuser und versteht sich als konstruktiver Beitrag zur aktuellen Diskussion. Er ist Ausdruck des gemeinsamen Anliegens, die regionale Kulturberichterstattung als zentralen Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Auftrags auch unter schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen zu sichern.

Offener Brief

“Sehr geehrter Herr Ludwig,
sehr geehrter Herr Ziche, sehr geehrte Damen und Herren des Rundfunkrates,
als Vertreterinnen und Vertreter der Kulturhäuser in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wenden wir uns heute in großer Sorge an Sie.

Wir haben zur Kenntnis genommen, dass der MDR als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt vor schwierigen finanziellen Entscheidungen steht und ein Sparprogramm angekündigt hat. Gleichzeitig sehen wir mit wachsender Besorgnis, dass Einsparungen im Programm- und Produktionsbereich unmittelbar die Kulturberichterstattung und die Verbindung zwischen den Kulturinstitutionen und den regionalen Zuhörerinnen und Zuhörern treffen.

Kulturberichterstattung durch öffentlich-rechtliche Medien konkret in Form von MDR Klassik mit Programmformaten wie dem bereits abgesetzten Opernmagazin, regelmäßigen Theater- und Konzertberichten, Premierenankündigungen, Kritiken und Hintergrundbeiträgen ist für uns kein Luxus, sondern ein zentraler Bestandteil der kulturellen Öffentlichkeit. Der MDR als öffentlich-rechtlicher Sender hat aus dem Staatsvertrag den Auftrag, die kulturelle Vielfalt der Region sichtbar und Debatten über Theater- und Musiktheaterproduktionen möglich zu machen. Eine Reduktion der Berichterstattung schwächt die Kulturlandschaft der Region und damit ihr demokratisches Fundament.

In der Präambel im Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk heißt es: »Sie [der Freistaat Sachsen, das Land Sachsen-Anhalt und der Freistaat Thüringen] wollen damit den freiheitlich demokratischen Rechtsstaat und seine Institutionen stärken, in den drei mitteldeutschen Ländern die kulturelle Vielfalt und Identität fördern sowie zum demokratischen Dialog, zur Sicherung der Meinungsvielfalt und Erhalt der Lebensgrundlagen und des Friedens beitragen.«

Die Kulturberichterstattung erfüllt mindestens vier wichtige Funktionen:

  1. Publikumsmobilisierung und -information
    Radioberichterstattung informiert breite Bevölkerungsgruppen über Spielpläne, Premieren, Gastspiele und Sonderveranstaltungen. Gerade für ältere Hörerinnen und Hörer, Pendlerinnen und Pendler sowie Menschen mit eingeschränkter Mobilität ist Radio ein wichtiger Zugang zur Theaterwelt. Die geplante Verschiebung ins Digitale würde an der Zielgruppe vorbeigehen und ist kein Ersatz für das Radioformat.
  2. Kulturelle Meinungsbildung
    Kritiken, Porträts und Debattenangebote schaffen Öffentlichkeit für künstlerische Arbeit, ermöglichen ästhetische Einordnung und tragen zur künstlerischen Qualitätssicherung bei. Ohne diese Debatten droht kultureller Diskurs zu verschwinden.
  3. Regionale Sichtbarkeit und kulturelle Teilhabe
    Der MDR hat als Sender für Mitteldeutschland eine besondere Verantwortung, Kultur aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sichtbar zu machen. Ihre Berichterstattung stärkt die kulturelle Identität der Region und ermöglicht Teilhabe. Ohne mediale Sichtbarkeit sinkt beispielsweise auch die Attraktivität der mitteldeutschen Kulturlandschaft für junge Kunstschaffende und die Abwanderung wird verstärkt.
  4. Einfluss auf Kulturpolitik und öffentliche Finanzierung
    Mediale Aufmerksamkeit ist eine wesentliche Voraussetzung für kulturpolitische Wahrnehmung. Die Finanzierung und damit die Existenz vieler Kultureinrichtungen ist unmittelbar mit ihrer medialen Präsenz verknüpft. Ohne kontinuierliche Berichterstattung fehlt die medial sichtbare Legitimation für öffentliche Mittel und damit die Grundlage für die langfristige Sicherung von Kulturinstitutionen.

Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf den MDR-Programmauftrag bitten wir Sie eindringlich: Berücksichtigen Sie bei den notwendigen Finanzentscheidungen die besondere Bedeutung der Kulturberichterstattung und der regionalen Berichterstattung über Theater, Musiktheater, Tanz und Konzerte.

Konkret bitten wir um die Prüfung, dass regelmäßige Kulturberichterstattung sichergestellt bleibt: Wie stellt der MDR sicher, dass Formate des Senders MDR Klassik, die regelmäßig über Premieren, Ensemble- und Spielplan-Informationen sowie Premierenkritiken berichten, auch künftig erhalten bleiben? Wie werden Programmplätze, die den mitteldeutschen Raum abdecken, wie beispielsweise »Das Klassikgespräch« um 9.10 Uhr von MDR Klassik konkret ersetzt? Wie stellt der MDR künftig die Sichtbarkeit der drei Bundesländer innerhalb der ARD in Radio und Fernsehen sicher?”

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Unterzeichnende des Briefes sind Mitwirkende von über 30 kulturellen Einrichtungen, Verbänden und Vereinen aus Mitteldeutschland – u. a.: 

Anhaltisches Theater Dessau, Bühnen Halle, Theater Magdeburg, Städtisches Theater Chemnitz, Dresdner Philarmonie, Gwandhaus Leipzig, Staatstheater Meiningen, Theater Erfurt, Händelfestspiele und Stiftung Händelhaus, Jenaer Philarmonie, Schauspiel Leipzig, Harztheater, Deutsch-Sorbisches Volkstheater Bautzen, Landeszentrum Freies Theater Sachsen-Anhalt e.V., Puppentheater Zwickau, Theaterhaus Jena, Deutsches Nationaltheater und Staatskapelle Weimar, Staatsoperette Dresden