Bei der öffentlichen Gedenkveranstaltung anlässlich des 5. Jahrestages des schrecklichen Anschlags in Halle (Saale), wandte sich Halles Bürgermeister mit Worten des Mitgefühls, Gedenkens und Mahnens an die anwesenden Gäste in der Konzerthalle Ulrichskirche.
Zuerst begrüßte der Bürgermeister die Angehörigen der beiden Opfer Jana L. und Kevin S.: “Ich freue mich sehr, dass Sie hier sind und wir Ihnen unser Mitgefühl ausdrücken können. Wir stehen an Ihrer Seite, wir haben nichts vergessen.”.
Bürgermeister Egbert Geier führte in seiner Rede weiter aus:
“Am 9. Oktober 2019 kam der Hass nach Halle. Ein junger Mann – damals 29 Jahre alt – versuchte mit Waffengewalt, in die hallesche Synagoge einzudringen. Zwei Menschen verloren an diesem Tag in unserer Stadt ihr Leben. Zwei Menschen wurden in Wiedersdorf im Saalekreis schwer verletzt. Viele weitere wurden traumatisiert und sind für immer gezeichnet.
Wir gedenken heute Jana und Kevin, deren Leben so brutal beendet wurden. Jana, eine Passantin, die einfach zur falschen Zeit am falschen Ort war. Kevin, ein junger Mann, der in seiner Mittagspause ermordet wurde. Zwei Menschen, die Pläne, Träume und Hoffnungen hatten.
Meine Damen und Herren, der Anschlag war aber nicht nur ein Angriff auf einzelne Personen. Es war ein Angriff auf uns alle. Ein Angriff auf unsere offene Gesellschaft. Ein Angriff auf unsere Werte der Toleranz und des friedlichen Zusammenlebens. Der Anschlag sollte Angst säen und Menschen jüdischen Glaubens terrorisieren, die an diesem Tag das Jom-Kippur-Fest in der Synagoge feierten.
Das Attentat hat unserer Stadt Halle (Saale) eine Wunde zugefügt. Ein hasserfüllter Mann kam nach Halle, um zu morden. Die Menschen in Halle jedoch haben nicht zugelassen, dass Hass und Gewalt uns spalten. Im Gegenteil: Dieser schreckliche Tag hat uns zusammenrücken lassen: Wir haben Solidarität gezeigt. Wir sind füreinander eingestanden. Wir haben deutlich gemacht: Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit haben in unserer Stadt keinen Platz.
Fünf Jahre sind vergangen, aber der Schmerz und die Trauer sind noch immer spürbar. Wir dürfen nicht vergessen: Nicht die Opfer. Nicht die Überlebenden. Nicht die Lehren, die wir aus diesem Tag ziehen müssen. „Hass erzeugt Hass“ – diese Worte stammen vom griechischen Dichter Aischylos. Er schrieb sie vor 2.500 Jahren. Man hat den Eindruck, viele – zu viele – haben es immer noch nicht gelernt. Oder doch? Jeder Einzelne kann für sich selbst die Antwort geben. Zum Beispiel diese: „Mit Hass kann ich nicht leben.“ Dieser Satz stammt von Ignatz Bubis, dem langjährigen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland. Sein Vater, sein Bruder und seine Schwester wurden im Nationalsozialismus von den Deutschen ermordet.
Für mich ist die wichtigste Lehre aus dem Attentat folgende: Jeder einzelne von uns trägt Verantwortung dafür, dass sich solch eine Tat nicht wiederholt.
Wir müssen wachsam sein. Wir müssen Zivilcourage zeigen. Wir müssen uns aktiv für eine Gesellschaft einsetzen, in der alle Menschen sicher und frei leben können – unabhängig von ihrer Herkunft, Religion oder Weltanschauung. Und ohne Hass.
Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, Vorurteile abzubauen und Brücken zu bauen. Lassen Sie uns den Dialog fördern und einander mit Respekt und Offenheit begegnen. Nur so können wir eine Zukunft gestalten, in der Hass keinen Nährboden findet.
Heute, an diesem Gedenktag, erneuern wir unser Versprechen: Wir stehen zusammen gegen Antisemitismus, gegen Rassismus, gegen jede Form von Menschenfeindlichkeit. Wir stehen ein für eine vielfältige, tolerante und friedliche Gesellschaft.
Mögen die Erinnerungen an Jana und Kevin uns Mahnung und Auftrag zugleich sein. Ihr Andenken verpflichtet uns alle, jeden Tag aufs Neue, gemeinsam, für eine bessere Welt einzustehen.“