Ungewollte Verhütung? – Weichmacher und andere Stoffe in Alltagsprodukten

Toilettenpapier
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Halle. LAV. Nicht alle Paare, die Kinder wollen, können auch welche zeugen. Die chemischen Stoffe, die die Fruchtbarkeit schädigen, werden hinsichtlich ihrer Gesundheitsrisiken bewertet. Das Europäische Chemikalienrecht erfasst derzeit 438 Chemikalien mit fortpflanzungsschädlicher Wirkung. Wissenschaftler der Europäischen Chemikalienagentur ergänzen systematisch diese Stoffliste durch weitere Untersuchungen.

Die amtlichen Kontrollen von Alltagsprodukten im Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt und den Untersuchungsämtern in anderen Bundesländern finden die schädlichen Stoffe in einer sehr breiten Produktpalette. Dabei unterliegt bisher nur ein Teil dieser Stoffe konkreten rechtlichen Verboten. Ein Beispiel für die verbotenen Stoffe sind die Phthalat-Weichmacher. Diese Weichmacher schädigen die für die Befruchtung der Eizelle notwendigen Keimzellen im Sperma des Mannes.

Die Phthalate wurden vor deren Verbot nicht allein in Kunststoffen eingesetzt. Als Lack- und Lasurzusatz drangen sie in Holzoberflächen von Spielzeug oder Frühstücksbrettchen ein. In Klebstoffen halfen sie Bücher zusammen zu halten und sind über das Altpapierrecycling in Toilettenpapier oder Kaffeefilter gelangt. Die Zahl der neuen Produkte mit hohen Phthalatgehalten ist nach dem Verbot deutlich zurückgegangen. Bis diese Stoffe nicht mehr aus Produkten von Menschen aufgenommen werden, wird es noch Zeit benötigen. Ältere Gegenstände aus Weich-PVC enthalten oft über 30 % Phthalat-Weichmacher. 

Ein Beispiel für einen noch nicht verbotenen wahrscheinlich reproduktionstoxischen Stoff ist Bisphenol S. Das Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt wies Bisphenol S in den letzten Jahren zunehmend in Lederprodukten nach. Die Lederindustrie setzt Bisphenol S für chromfreie Gerbungen ein. Über die Haut wandert Bisphenol S in den Körper ein. Bisphenol S beeinflusst in Versuchen bei weiblichen und männlichen Tieren die Gehalte der Sexualhormone Östrogen und Testosteron. Es überwand bei schwangeren Tieren die Plazentaschranke und störte die Entwicklung von Embryos.

Die Europäische Chemikalienagentur zählt Bisphenol S zu den besonders besorgniserregenden Stoffen. Ein weitgehendes Verbot der Substanz in Produkten ist zu erwarten. 

Der Beitrag der Chemikalien aus Alltagsprodukten an den zunehmenden Fällen von Fruchtbarkeitsstörungen lässt sich nicht seriös abschätzen. Die amtlichen Kontrollen der verbotenen Stoffe durch das Landesamt für Verbraucherschutz helfen, die Verbote durchzusetzen und die Aufnahme der Schadstoffe zu reduzieren. Jährlich werden hier ca. 200 Produkte hinsichtlich der Verwendung von gesundheitsschädlichen Chemikalien untersucht und bewertet.